Einleitung

Dieses Buch lässt sich der Sache nach schwer in bestehende Genres ein­ord­­­­nen. Es ist in gewisser Hinsicht ein Buch über Schrift und Sprache, aber es schliesst in keiner Weise an sprachwissenschaftliche oder sprach­philo­sophische Überlegungen an. Ich beobachte das Schreiben. Mich interessiert dabei aber weder wer warum was schreibt, noch irgendeine lern- oder mo­tiva­tions­psycho­logische Interpretation der Schreibenden oder des Geschriebenen, mich interessiert das Schreiben als materielle Produktion von Text, also die gegen­ständliche Herstel­lung von Text.

Gemeinhin wird Schreiben als Mitteilen, nicht als Herstellen von Gegenständen aufgefasst. N. Luhmann hat F. Kittler einmal vorgeworfen, dass er sich nicht für den Inhalt von Texten, sondern für deren Textsein interessiere. F. Kittler hat geantwortet, dass es ohne Texte auch keine Inhalte geben würde. Und ich füge an, dass es keine Texte geben würde, wenn sie nicht materiell hergestellt worden wären. Wer beispielsweise eine Brücke baut, muss wissen, wie er sie bauen muss, damit sie ihren Zweck erfüllen kann. Und wer einen Text herstellt, muss wissen, wie er den Text herstellen muss. Man kann Brücken sehr ver­schie­den, mit sehr verschiedenen Materialien und Werkzeugen her­stellen. Texte auch. Wenn ich einen Text herstelle, muss ich Material und Werkzeug wählen. Ich kann beispielsweise mit einem Bleistift auf Papier schreiben, wenn ich schreiben kann und Papier und Bleistift habe. Es gibt aber auch entwickel­tere Produktionsmittel als Papier und Bleistift.

J. Derrida schreibt in seinem Text „Maschinen Papier“, dass der Wort­teil „tithemi“ in „biblio-theke“ auf das Setzen, Stellen, Legen hin­weise, also darauf, etwas einer stabilisierenden Unbeweglichkeit an­zuvertrauen, und dass „biblion“ nicht nur oder zuerst Buch heisse, sondern die materielle Unterlage bezeichne, auf die geschrieben wird, also auch die Papyrusrolle. Der Textträger muss den Text tragen können, er muss hinreichen gross und hinreichend stabil sein. Aber natürlich braucht auch der Text selbst eine hinreichende Festigkeit, damit er auf ein Papier gesetzt werden kann.

Ich weiss nicht, ob Sie als Leser diesen Text in einem Buch oder auf dem Bild­schirm eines e-books lesen. In beiden Fällen lesen Sie einen Text, der mit­tels viel Technik her- und vor Ihre Augen gestellt wurde. Wenn Sie ein Buch vor sich haben, wurde es mit komplizierten Maschinen gedruckt und gebunden. Wenn Ihr Text auf einem Bild­schirm erscheint, steht hinter dem Bildschirm ein Computer, also eine sehr komplizierte Maschine, und vielleicht sogar das Internet. In bei­den Fällen inte­ressieren Sie sich vielleicht nicht so sehr dafür, mit welcher Technik der Text vor Ihren Augen herge­stellt wurde, sondern mehr für das, was Sie le­sen. Der Text, den Sie hier lesen, behandelt die Her­stel­lung von Text, also auch die Herstellung des konkreten Textes vor Ihren Augen. Dabei geht es aber nicht um eine irgendwie gedankliche Her­stel­lung des Inhaltes, sondern um die Herstellung des materiellen Gegenstandes, den Sie beim Lesen sehen. Es geht um die Herstellung der Schriftzeichen.

Ich habe den vorliegenden Text ursprünglich in einem Internet-Blog geschrie­ben, also auch beim Schreiben im Vergleich zum Bleistift eine sehr hochent­wickelte Technik verwendet.[1] Normalerweise beschäftige ich mich auch beim Schreiben viel mehr damit, was ich schreibe, als damit, welche Werkzeuge ich dabei verwende. Dass ich beim Schreiben meistens einen Computer verwende, fällt mir kaum je auf, wenigstens so lange er funktioniert. Aber auch ein Bleistift in meiner Hand wird mirskriptor skriptornorma­ler­weise erst richtig bewusst, wenn beispielswei­se dessen Mine bricht. Technik wird mir in diesem Sinne meistens nur als kaputte oder als nicht wunsch­gemäss funktionie­rende Technik bewusst. Ich kann mich aber noch sehr gut daran erin­nern, wann und wo ich zum ersten Mal mit einem Computer geschrieben ha­be. Die damals für mich ganz neue Technik hat mich so sehr be­schäftigt, dass ich fast vergessen habe, was ich mittels dieser Technik schreiben wollte. Die Technik hat aber meine bewusste Aufmerksamkeit wieder verloren, so­bald ich damit um­gehen konnte. So habe ich auch mein anfängliches Schreiben mit dem Bleistift in Erinnerung. Das Hand­haben des Bleistifts selbst machte mir sehr rasch viel weniger Kopfzerbrechen als das richtige Her­stellen und An­ordnen der Schriftzeichen. Erst zurückbli­ckend erkenne ich, dass das eigentli­che Schreiben von Hand unter handwerkli­chen Ge­sichts­­punk­ten an­spruchsvoller ist, als das Schrei­ben mit einer Maschi­ne. Umgekehrt aber muss ich natürlich sehr viel mehr wissen, wenn ich statt mit einem Bleistift mit einer Blogsoftware schreiben will. Und ich muss dazu nicht nur mehr wissen, sondern vor allem auch viel mehr besitzen. Ich brauche einen im Internet ver­netzten und stromversorgten Computer, also eine unglaublich mächtige Infrastruktur, in welcher ich die grösste Maschine der Welt erkenne.

Das Textherstellen ist eine Tätigkeit, die ich wie keine andere Tätigkeit sonst auf den verschiedenen Stufen ihrer technologischen Entwicklung selbst ausübe und deshalb in einem spezifischen Sinn erkenne. Ich benutze auch heute noch Blei­stifte zum Schreiben, aber ich stelle auch Texte im Internet her, die ich manchmal sogar zu Büchern mache. Dieses Herstellen und dessen technische Entwicklung werde ich in diesem Buch beschreiben. Der Text, den Sie jetzt lesend vor Ihren Augen haben, ist in jedem Fall ein maschinell hergestellter Gegenstand. Wenn Sie den Text in einem eigentlichen Buch auf Papier lesen, ist er keine Kopie, sondern ein Warenexemplar, weil es bei sol­chen Texten kein Original gibt. Von einem gedruckten Buch gibt es so wenig ein Original wie etwa vom Fiat Panda oder vom IBM PC. Eine Kopie wäre der Text nur, wenn Sie eine Abschrift oder eine Fotokopie in den Händen hätten.

Wenn Sie diesen Text in einem Buch aus Papier lesen, habe ich den Text und das Buch in dem Sinne selbst hergestellt, als bei der Herstellung dieses Buches keine anderen Menschen Hand anlegen mussten. Ich habe bei der Herstellung des Textes und des Buches eine Maschinerie verwen­det, die als Teil des Inter­nets – wo auch immer – in der Welt steht und die ich von meinem Computer aus fernbedient habe, ohne diese Ma­schine je gesehen zu haben. An diesem Buch haben keine Data­typistin, kein Schrift­setzer, kein Drucker und kein Buchbinder gearbeitet. Ich ha­be alles selbst ge­macht, ob­wohl ich dazu nur von ferne eine Ma­schi­nerie bedient habe, die nicht mir gehört und zu de­ren Herstellung ich gar nichts beige­tragen habe. Ich habe mit dieser Maschinerie den konkreten mate­riellen Text und den materiellen Textträger, den Sie aktu­ell als Buch in Ihren Händen haben, produziert.

Natürlich hätten Sie kein Buch in den Händen, wenn nicht viele Arbei­tende Tinte, Papier und Leim herbeigeschleppt hätten, und wenn nicht davor jemand all das Material abgebaut und bearbeitet hätte, das in dem internetvernetzen Buch­herstellungsautomaten und all den auch auto­matischen Verpackungs- und Aus­lieferungswerkzeugen steckt. Und schliess­lich mussten Sie das Buch selbst in Ihre Hän­de nehmen, um den Textes zu sehen. Dass Sie den Text jetzt lesen können, hat also sehr viele Voraussetzun­gen, die ich in gewisser Weise aus­blende, wenn ich sage, dass ich den Text in der Ihnen vorliegenden materiellen Version selbst hergestellt habe, während andere Menschen nur allerlei Maschi­nen und Materialien hergestellt haben, die ich beim Schreiben und Herstellen des Buches verwendet habe.

Ich werde später in diesem Buch darüber schreiben, inwiefern diese Auffassung von Textherstellen auch für Texte am Bildschirm sinnvoll ist. Hier will ich noch­mals die sprachliche Differenz zwischen Text und Textinhalt hervorheben. Das, was ich herstelle, ist der materielle Zeichenkörper. Diese graphischen Artefakte sind nur Text, wenn ich sie in den Handlungszusammenhängen Schrift oder Sprache beobachte. Dass ich oder Sie in der Anordnung der Tinte Symbole erkennen, dass diese Zei­chen­körper als Symbole für etwas Gemeintes fun­gie­ren, kann ich nicht her­stel­len. Ich kann praktisch kaum beeinflussen, dass andere Menschen die Sym­bole als Symbole erkennen und wie sie diese inter­pretie­ren. Wenn ich hier von Textherstellen spreche, meine ich nicht den Inhalt des Tex­tes, sondern beispielsweise die auf Papier aufge­tragenen Gegenstände aus Tinte, die in den Augen der geneigten Lesern Buchstaben und Wörter repräsen­tieren.

Die Buchstaben aber und mithin die so gemeinten Texte sind materielle Gegen­stände. Die Herstellung solcher Gegenstände unterliegt einer tech­nolo­gischen Entwicklung, in welcher ursprüngliche Handarbeit durch Mechanisierung und Automatisierung aufgehoben wird. Geschrieben wird wohl seit es Menschen gibt, auch wenn Schrift oft als Erfindung da­tiert wird. Ich kann nicht sehen, dass sich die Menschen bezüglich dem, wie sie beschreiben, wesentlich entwickelt haben. Ich kenne nie­manden, der besser beschreibt als Homer. Aber die Werk­zeuge, die ich beim Herstellen von Text verwende, haben eine enorme Ent­wicklung hin­ter sich. Das kollaborative Herstellen von Büchern im Internet sehe ich als aktuell letzte Stufe dieser Entwicklung, durch welche sich auch immer wie­der verändert hat, was ich überhaupt als Schrei­ben be­greife und dem Prozess des Schrei­bens zurechne.

Die technologische Entwicklung betrifft nicht nur die Schreibwerkzeuge im en­geren Sinne, sondern insbesondere auch den Text als Artefakt, den Textträger und die Organisation der Textproduktion. Das Schreiben im Internet lässt mich das Umfeld des ursprünglichen Schreibens wie etwa den Briefver­sand oder Bibliotheken neu sehen. In diesem Sinn be­schrei­be ich die Evolution der Text­produktion durch die Kategorien, die ich anhand der modernen Technik entwickelt habe.[2] Der Ausdruck Schreiben, der ursprünglich wohl für das handwerkliche Herstellen von Text gestanden hat, hat durch diese Entwicklung sehr verschiedene Referenzobjekte bekommen. Als Schreiben bezeichne ich die Textproduktion, die von einer Bleistiftnotiz bis zur Herstellung von gebundenen Büchern oder Webseiten reicht.

Da ich den vorliegenden Text in einem Internet-Blog geschrieben habe, verviel­fäl­tigt sich der Text auf eine unüber­seh­bare Weise. Zunächst entsteht eine flüchtige Version des Textes im sogenannten Arbeits­spei­cher meines Computers und ein Abbild davon auf meinen Bildschirm. Wenn ich den Button „Ver­öffent­lichen“ anklicke, wird der Text auf den Blog-Server kopiert, von wo er dann auch via Internet auf die Bildschirme der Lesenden kopiert wird. Es gibt also während des Schreibens jeweils viele, teilweise flüchtige und teilweise stabiler gespeicherte Kopien des Textes, ohne dass ich sagen könnte, was ich als Original bezeich­nen würde. Wenn ich Texte im Blog publiziert habe, mache ich sicher­heitshalber auch eine Kopie auf dem Disk meines Computers, die ich dann als Quasi-Original betrachte, aber im Hinblick auf das schliess­lich zu produzierende Buch bezeichne ich diesen Text metaphorisch auch als mein Manuskript, aus welchem das Original, das ich dann im ge­druck­­ten Buch wieder nicht sehe, erst entstehen soll. Mit dem Ausdruck Manuskript verweise ich darauf, dass ich mir Schreiben immer noch als Handarbeit vorstellen kann, obwohl ich die Blogsoftware und meinen Computer benutze.

Mit diesem Buch mache ich mir auch bewusst, was ich als Buch bezeich­ne. Eigentliche Bücher werden nicht ge­schrie­ben, sondern beispielswei­se aus be­drucktem Papier gebunden. Was im Buch geschrieben steht, ist für dessen Buchsein unerheblich, beliebig und gleichgültig. Dass ich ein Buch in den Händen habe, sehe ich lange vor jedem Wort in diesem Buch. Wenn ich sage, dass ich ein Buch geschrieben habe, sage ich eigentlich, dass ich den Text eines Buches geschrieben habe. Als Text ist mein Werkstück zu jeder Zeit eine linear angeordnete Menge von Buchstaben, was mit einem Buch zunächst gar nichts zu tun hat. Das Herstellen des Textes besteht nicht nur im Anfügen weiterer Zeichen, sondern auch in einem fortgesetzten Umformen des bereits vorhandenen Textes. Solange ich an einem Text schreibe, verändert sich nicht nur dessen Länge, sondern auch dessen Struktur.

Natürlich kann man sich fragen, was in einem gegebenen Buch steht. Ich kann das Buch aber auch als Buch anschauen, ohne mich um dessen Inhalt zu kümmern. In einem entsprechenden Buch finde ich dann einen Text, der in einem bestimmten Zustand konserviert oder eingefroren ist. Im Buch ist das Schreiben als Tätigkeit aufgehoben. Ein Buch zu machen, heisst den Prozess des Schreibens abzubrechen. Solange ich am Schrei­ben bin, verändere ich den Text, ich füge weitere Zeichen an und setze Textteile ein, die ich auf meinem Computer bereits früher gespeichert habe. Den dabei entstehenden Text über­arbeite ich laufend. Ich füge vieles ein, verändere die Position von Sätzen und Abschnitten und lasse auch vieles wieder weg. In diesem Über­arbeiten von Text sehe ich den wesentlichen Teil des Schreibens. Es geht mir dabei um die allmäh­liche Verfertigung meiner Gedanken beim Schreiben, die sozusagen zu­nächst im Kopf stattfindet, wenn ich den ersten Entwurf herstelle, danach aber vor meinen Augen passiert. Schreiben bedeutet in diesem Sinne den Text solange umzustellen, bis er mir passt. Jedes solche Passen ist situativ und je aktuell. Zu einem späteren Zeitpunkt würde ich den Text wieder verändern, weil ich ihn neu sehen würde, respek­tive weil sich mein Sehen weiterentwickelt hat, während der Text der­selbe geblieben ist. Es gibt ja auch im Zeitpunkt des ersten Entste­hens eines Textes bereits verschiedene Interpretationen. Dies zu er­kennen fällt mir leichter, wenn ich meine Entwürfe im Blog schreibe, weil ich dann in den Kommentaren andere Interpretationen quasi noch beim Schreiben bekomme.

Die Produktion von Text passiert – nicht nur im Blog – als Produktion von Texten, die einen je bestimmten Umfang haben und so als relativ eigenständige Texte erscheinen, beispielsweise als Briefe eines Brief­wechsels oder als Buch unter Büchern. Zu einem Buch mache ich einen Text in einem beliebigen Zeitpunkt, in welchem mir der Text hinrei­chend passt, obwohl ich weiss, dass ich ihn immer weiter­schrei­ben könnte. Ich entscheide, wann ich das Weiterschreiben abbreche und in welcher Form ich den Text schliesslich aufbewahre.

Den Ausdruck Buch verwende ich aber mittlerweile immer öfter in dem Sinne metaphorisch, als ich dabei gar nicht an ein eigentliches Buch aus Papier denke, sondern an einen hinreichend langen Text, der nicht mehr verändert wird. Mit der Buch-Metapher bezeichne ich natürlich auch, dass der jeweilige Text kon­ventio­nell als Buch veröffentlicht würde oder werden könnte. Es gibt ja sehr viele Tex­te, die nicht mehr verändert werden, aber zu keiner Zeit als Buch erscheinen oder auch nur dafür gedacht wären. Auch jeder Brief ist ein fertig hergestellter Text. Der hier vorliegende Buchtext ist in diesem Sinne ein als Buch bezeich­neter Text, jenseits davon, ob er in einem Buch steht. Er kann auch in einem sogenannten e-Buch gelesen werden, wobei e-Buch eben genau dafür steht, dass der Text in einem Buch stehen könnte, aktuell aber unter dem Gesichts­punkt, dass er nicht mehr verändert wird, auf einem Internet-Server zum Down­load gespeichert ist. Er ist mit einer ISBN-Referenznummer versehen und kann so – wie ein Buch – zitiert, aber auch gekauft werden. Und weil sich nicht nur die Textwelt, son­dern auch die Buchwelt entwickelt hat, kann der Text „on demand“ auch in einem eigentlichen Buch gelesen werden. Vielleicht ist das in Ihrem Fall sogar der Fall. So taucht das Buch wieder auf, wo es zunächst er­setzt wurde.

Lesen ist eine eigenartige Tätigkeit, sie scheint im Kopf oder hinter den Augen zu passieren. Vor den Augen habe ich den Text. Lesen, soweit es hinter meinen Augen geschieht, bezeichne ich als mentale Produktion von Vorstellungen. Men­ta­le Produktionen sind relativ flüchtig, die wich­tigste Funktion meines Ge­dächt­nis sehe ich im Vergessen, von allem was ich nicht brauchen kann. Was ich nicht vergessen will, schreibe ich auf und lege es so in ein „externes Ge­dächt­nis“. Meine Agenda zeigt mir, wie wenig ich ohne es aufzuschreiben zu erinnern vermag. Und mein Kopfrechnen zeigt mir, dass ich ohne schreiben nicht weit komme.

Beim Lesen kann ich mich fragen, ob ich das, was ich lese, auch schreiben wür­de. Diese Art zu lesen bezeichne ich als aktives Lesen, ich lerne dabei mich kennen. Denn ich weiss, was ich mit dem jeweilige Text meine oder verbinde, während ich nur interpretieren könnte, was der jeweilige Autor damit meint. Ich frage mich beim aktiven Lesen nicht, ob ich das, was ich lese, auch geschrieben hätte, bevor ich es gelesen habe. Ich frage mich, ob mir die Formulierungen, unabhängig davon, ob sie mir neu erscheinen oder nicht, aktuell zu mir passen. Ich frage mich, unter welchen Bedingungen ich die Formulierungen auch ver­wen­den würde.[3]

Wenn es Zufälle gibt, ist mir das Buch „Die Arbeit im modernen Produk­tions­­­pro­zess“ von H. Braverman beim Schreiben dieses Textes wieder zu­gefallen. Es gehört zu meinen Lieblingsbüchern. Es befasst sich mich mit der Aufhebung des Handwerks durch die industrielle Produktion. Ich beobachte hier diese Auf­he­bung anhand eines Handwerkes, das sich mir aufdrängt, weil ich es selbst ken­­ne und von welchem ich auch dessen Auf­he­bung in der Mechanisierung und Automatisierung gut nachvollziehen kann. In gewisser Weise befasse ich mich mit einem eigenen Beispiel zum Text des Buches von H. Braverman, den ich mir so durch eine Art von Selbstschreiben aneigne. Ich realisiere dabei, dass Schrei­­ben über sich selbst hinausweist, was mir auch wichtig ist für meine Theo­­rie, die ich nebenher beschreibe.


weiter zu: 1 Schreiben als Tätigkeit

last update 7. 4.2024 / 28. 6.2016


Anmerkungen

[1] Der Blog ist immer noch im Internet, wo ich auch sehr gerne weiterhin Kommentare zum Text lese und beantworte: https://schriftsprache.wordpress.com/ (zurück)
[2] „Die Anatomie des Menschen ist ein Schlüs­sel zur Anatomie des Affen. Die Andeutung auf Höheres in den untergeordneteren Tierarten können dagegen nur verstanden werden, wenn das Höhere selbst schon bekannt ist.“ (Marx-Engels-Werke Band 42, S. 39). Was Schreiben ist, verstehe ich in diesem Sinne erst, wenn ich im Internet geschrieben habe. (zurück)
[3] Dieses aktive Lesen ist ein wesent­li­cher Aspekt der Hyperkommunikation. Ich habe es in einem anderen Text behandelt. (zurück)

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